In Internetforen liest man oft, dass bei Studioaufnahmen auf einen Blitzbelichtungsmesser verzichtet werden kann, solange man mit einer digitalen Kamera arbeitet. Hier mal meine Betrachtungsweise der Sache :-)

Belichtung

Es wird argumentiert, dass das Kamerahistogramm zur Ermittlung der korrekten Belichtung herangezogen werden kann. Der Schwachpunkt dieses Ansatzes ist, dass man auf dem Histogramm die Helligkeitsverteilung des gesamten Bildes sieht. Somit ist man oft nicht in der Lage die Belichtung eines Teilbereiches richtig zu beurteilen. Fotografiert man beispielsweise einen Körperkontur auf dem schwarzen Hintergrund, ist die Aufnahme laut dem Histogramm unterbelichtet. Ein Bild mit dem Model auf einem reinweißen Hintergrund wäre überbelichtet. In beiden Fällen kann das Hauptmotiv allerdings richtig oder falsch belichtet sein. Mit einem Blitzbelichtungsmesser und Lichtmessung sind beide Fälle problemlos zu meistern. Ich habe nichts gegen das Histogramm, es ist sogar ein sehr schönes und intuitives Hilfsmittel, das ich sehr gerne nutze. Dessen Grenzen müssen nur einem bewusst sein.

Beleuchtung

Die zweite und meiner Meinung nach viel wichtigere Anwendung ist das Ausmessen von Beleuchtungskontrasten (bekannt auch als Beleuchtungsverhältnis oder Beleuchtungsratio). Dadurch ist es möglich schnell gewünschte Lichtstimmungen mit jeder beliebigen Blitzanlage bzw. beliebigen Lichtformer zu erreichen. Die Beleuchtung kann man übrigens auch ohne Model einrichten, beispielsweise während der Pause, wenn das Model sich umzieht bzw. geschminkt wird.

Zur Illustration zwei Histogramme mit jeweiligen Bildern dazu.

Bild 1 Bild 2

Beide Histogramme zeigen eine Low-Key-Ausleuchtung. Bei der Betrachtung der Bilder, ist nicht zu übersehen, dass die Beleuchtung – trotz des gleichen Lichtschemas und sehr ähnlichen Histogrammen – jeweils anders ausschaut. Was ist nun der wesentliche Unterschied, der auf dem Histogramm nicht zu erkennen ist?

Bei der ersten Aufnahme wurde das Beleuchtungsverhältnis zwischen dem Haupt- und dem Aufhelllicht als 1:4 eingerichtet. Das Hauptlicht ist 4-mal stärker als das Aufhelllicht. Oder anders ausgedrückt ist das Aufhelllicht um 2 Blenden schwächer. Das andere Bild hat das Verhältnis 1:8. Das Aufhelllicht ist hier 3 Blenden schwächer als das Hauptlicht. Auch das Verhältnis Haup- zu Hintergrundlicht ist bei den beiden Bildern unterschiedlich, was man ebenfalls gut sehen kann. Das alles verrät ein Histogramm allerdings nicht.

Noch Mal das erwähnte Beispiel mit dem Motiv auf dem reinweißen Hintergrund.

Der Trick ist hier den weißen Hintergrund zu überbelichten. Folgendes muss allerdings beachtet werden: bekommt der Hintergrund zu viel Licht, werden Teile des Hauptmotivs (beispielsweise Haare) durch das Streulicht »ausgefressen«, bei zu wenig Licht bleibt der Hintergrund bzw. Teile davon grau. Korrekte Ergebnisse bekommt man, indem man die Beleuchtung so einstellt, dass der Hintergrund 1–1,5 Blenden mehr Licht als das Hauptmotiv bekommt. Wenn das »Ausfressen« wiederum gewünscht ist, kann man mehr Licht auf den Hintergrund leiten und die Stärke des Effekts mit dem Belichtungsmesser wieder gezielt steuern.

Wer schon mal passendes Haarlicht einzurichten versucht hat, weiß, dass hier ebenfalls sehr schnell zu Fehlbelichtungen kommen kann. Mit dem Belichtungsmesser kann man den Effekt ebenfalls sehr genau steuern.

Fazit

Natürlich kann man mit einer digitalen Kamera auch ohne Blitzbelichtungsmesser fotografieren ;-) Man benutzt das Histogramm oder versucht die Lichtstimmung anhand des Einstelllichts bzw. des LCD-Monitors der Kamera abzuschätzen. Diese Instrumente sind in dieser Hinsicht allerdings etwas ungenau.

Will man aber bewusst mit Licht umgehen können und statt irgendwelchen die gewünschte Ergebnisse präzise und vor allem schnell erzielen, ist ein Blitzbelichtungsmesser meiner Meinung nach unabdingbar.

Wie ist eure Erfahrung? Schreibt einfach eure Meinung dazu!


Sehen Sie auch:


Externe links:

8 Comments

  • … beim Aufhelllicht muss dann das Grau weiter links im Histogramm anzeigen, denn dieses Licht soll ja schwächer ausleuchten.

  • Prinzipiell schließe ich mich der Meinung des Autors an. Es gibt jedoch folgende Möglichkeit das Kamerahistogramm besser zu nutzen.

    In dem ich eine Graukarte an die Position des fehlenden Belichtungsmessers halte und diese Karte sensorfüllend mit dem Blitz fotografiere. Jetzt sehe ich nur das grau auf dem Histogramm und wenn es dort schön in der Mitte ist, dann habe ich das Hauptlicht einigermaßen gut eingestellt. Das selbe mache ich dann mit den anderen Blitzen.

    Wenn alle Blitze eingestellt sind, kann ich nochmals die Graukarte sensorfüllend fotografieren und ggf. die Blende nochmals anpassen. Weitere Anpassung dann über das Kameradisplay.

    Das hört sich evtl. viel komplizierter an als es ist. Man kann sich sehr schnell darauf einschießen. Es dauert nicht soo viel länger wie mit dem Belichtungsmesser. Es ist ungenauer, aber vieeel genauer, wie wenn ich mittels Histogramm und dem gesamten Motiv/Bild die Belichtung auswerten will, was genau genommen ja gar nicht geht.

  • Vielen Dank für diesen Artikel. Besonders die Erklärung dass ein Histogramm nicht das Allheilmittel ist finde ich gut dargestellt. Hinweis: Ein Gossen „Sixtomat flash“ sollte es schon mindestens sein. Hier kann ein Differenzwert einprogrammiert werden, der die Eigenschaften der Digitalkamera berücksichtigt.

    Schöne Grüße

    Bernd

  • Oh ja, hier scheiden sich die Geister. Klar kann man ohne Beli auch gut im Studio fotografieren, mache ich während der Session auch sehr oft, ich messe nicht jede Pose neu ein. Aber: zuerst schon, gerade, um auch den gesamten Kontrastumfang zu erfahren. Denn da muss die digitale Kamera oft eher passen, als der Film, bisher zumindest… Es ist auch immer eine Frage, was man denn eigentlich wofür oder für wen fotografieren will, was der eingene Anspruch ans Bild ist, wieviel Zeit man mit der Nachbearbeitung verbringen will.

    Vielen Dank für den guten Beitrag!

  • Eine günstige Alternative wäre ein gebrauchter Gossen Lunasix 3F (F ist wichtig und steht für Flash). Den genauen Gebrauchspreis kenne ich nicht, der sollte aber unter 100 (vielleicht auch 80) Euro liegen…

    Nachteil: Blitzmessung hat nur eine Torzeit (also die Zeit, während der die Messung durchgeführt wird) = 1/60 Sekunde. Im dunkleren Studio ist das eh nicht so wichtig. Ansonsten besteht die Gefahr, dass auch das Umgebungslicht bei der Messung mitberücksichtigt wird.

  • Danke für diesen sehr instruktiven Beitrag. Als engagierter Amateurfotograf mit null Studioerfahrung und wenig Kenntnissen in Blitzfotografie bin ich sehr dankbar um diese Informationen. Und natürlich kenne ich das Problem – habe das Problem bisher so gelöst dass ich die Fotos sofort auf dem PC anschaue, da der Kameramonitor zu ungenau ist. Nun überlege ich mir die Anschaffung eines BLitzbelichtungsmessers, was nicht ganz billig ist. Welches Modell soll der Anfänger wählen?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.